Was für ein Abend: Am 29. Januar war die Juristin, Frauenrechtlerin, Autorin, Moscheegründerin und Imamin Seyran Ateş zu Gast. Sie hielt den Impulsvortrag zu unserem ersten Zonta-Forum im Deelenhaus und hat uns und unsere Gäste mehr als beeindruckt. Im folgenden könnt ihr unseren Bericht von der Veranstaltung lesen, den wir auch an die Presse geschickt haben.
Ein wie hohes Gut unsere Demokratie ist, ist Seyran Ateş stets bewusst. Denn die Frauenrechtlerin aus Berlin geht keinen Schritt ohne Personenschützer. Auch nicht im Paderborner Deelenhaus, wo sie am Mittwoch (29. Januar) auf Einladung des Zonta-Clubs Paderborn über ihren Einsatz für einen gleichberechtigten Islam berichtete.
Sie nennt sie ihre Schutzengel, Schützer der Demokratie, und weiß es zu schätzen, dass sie in einem Land lebt, in dem die Demokratie noch funktioniert, stellt die Juristin, Frauenrechtlerin, Moscheeegründerin und Autorin klar. „Nur so kann ich heute hier vor Ihnen stehen.“
Ateş ist an diesem Abend im nahezu voll besetzten Deelenhaus Gast einer Premiere, des Zonta-Forums. Die Paderborner Frauen, die als Zonta-Club das gemeinsame Ziel verbindet, die Lebenssituation von Frauen im rechtlichen, politischen, wirtschaftlichen und beruflichen Bereich zu verbessern, tun dies nicht nur über lokale und internationale Projekte, sondern eben auch darüber, dass sie aktiv politische Themen platzieren. Dazu haben sie eine neue Veranstaltungsreihe, das „Zonta-Forum“ ins Leben gerufen, erläuterten Präsidentin Stefanie Kleine und Gabriele Antpöhler, Vorsitzende des Advocacy-Komitees, das für diesen Themenbereich verantwortlich zeichnet.
Die Moderation hat der bekannte Kabarettist Ingo Börchers übernommen, gerne, wie er betont, denn „solche Abende stärken die Demokratie“. Seyran Ateş hat ihren Vortrag „Glaube, Identität und Alltag: Frauen und ihre Rechte im Islam“ überschrieben. Dabei geht es ihr um die Frage, ob die inneren Wünsche und Bedürfnisse der Frauen in dem, wie der Islam in vielen Ländern praktiziert wird, abgebildet sind. Ihre klare Antwort: Nein.
Das sei allein schon darin begründet, dass die Sunna, in der die Lehren und Handlungen des Propheten Mohammed in Form der so genannten Hadithen festgehalten seien, und die den meisten Muslimen als ultimativer Leitfaden für das Leben gelte, allein auf Erzählungen von Männern gründe. „Mohammed hatte 12 bis 14 Frauen, seine erste Frau Chadidscha, mit der er bis zu ihrem Tod 25 Jahre monogam zusammengelebt hat, gilt als erste Muslimin – die Erzählungen dieser Frauen, die ihm so nah waren, müssten Bibliotheken füllen“, sagt Seyran Ateş. Daher lehne sie diese „ausschließlich männlich geprägte“ Form der Überlieferung als „Zementierung und Manifestierung des Patriarchats“ ab. Liberale Muslime und Feministinnen weltweit orientieren sich mehrheitlich am Koran. „Damit haben wir ohnehin auch schon genug zu tun“, stellte Ateş klar und führte einige Beispiele an, in denen der Koran sich auf die Stellung der Frauen bezieht. Frauen würden im Islam als gleichwertig, aber eben nicht als gleichberechtigt im Sinne von Artikel 3 unseres Grundgesetze angesehen.
Seyran Ateş machte deutlich, dass sich nicht nur für Musliminnen, sondern für Frauen weltweit die Frage stelle, wie sie an einen Gott glauben können, der sie ungerecht behandele und benachteilige. „Doch ist es wirklich Gott, der das so sieht, oder sind es die männlichen Überlieferer?“ Sie für sich habe die Konsequenzen gezogen und in Berlin eine Moschee gegründet, um sich innerhalb ihrer Religion für Geschlechtergerechtigkeit einzusetzen. „Ich fordere eine zeitgemäße, geschlechtergerechte und historisch belegte Lesart des Korans und der Hadithen“, stellte sie klar.
Und damit war Ateş, die als junge Frau bei einem Anschlag lebensgefährlich verletzt wurde, auch wieder bei ihren „Schutzengeln“, die ihr aufgrund einer Vielzahl von Morddrohungen nach der Moscheegründung zur Seite gestellt wurden. Sie gibt einen berührenden Einblick in dieses Leben, in dem Angst ein großes Wort ist, sie aber nicht daran hindert, weiter für einen liberalen Islam, in dem auch Frauen und Mädchen in Würde leben können, einzutreten: „Lieber sterbe ich so, als dass ich schweige und nicht mehr in den Spiegel sehen kann.“
Die Demokratie sei eine unverzichtbare Staatsform, da nur sie ein Leben in Freiheit ermögliche, stellt Seyran Ateş klar. Sie funktioniere aber nur, wenn alle die durch sie garantierte offene Zivilgesellschaft akzeptieren. Das bedeute aber auch, dass es nur gemeinsame Werte geben könne und keine Parallelgesellschaften. „Diese Chance verdienen alle Kinder in Deutschland, wir müssen sicherstellen, dass jeder hier in Würde und Freiheit aufwachsen kann“, lautete ihr Appell.
Es gelte die Demokratie, Freiheit und unsere Werte zu verteidigen – „und zwar gegen eine zunehmende Aggression durch Islamisten, Links- und Rechtsextremisten“, betonte die 61-Jährige. „Sie alle sind gegen die Demokratie, weil echte Vielfalt ihnen Angst macht, weil sie keine echte Vielfalt ertragen.“

Das Foto zeigt (von links): Gabriele Antpöhler (Vorsitzende Advocacy-Komitee Zonta-Club Paderborn), Seyran Ateş, Stefanie Kleine (Zonta-Präsidentin Paderborn) und Ingo Börchers (Moderator).